Buchtipps

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33 Antworten auf „Buchtipps“

  1. Elisabeth Strout/Am Meer

    Lucy Barton ist längst eine erfolgreiche Schriftstellerin und den ärmlichen Verhältnissen ihrer Kindheit in Crosby entwachsen. Die Kinder aus der Ehe mit William sind erwachsen, Lucy und William sind sich nach allem, was sie miteinander und nach der Scheidung in weiteren Beziehungen, erlebt haben, freundschaftlich verbunden. Es ist Winter und die Pandemie beginnt. William, Wissenschaftler kurz vor der Rente, sieht das Unheil kommen und bringt Lucy und sich in Sicherheit. Er mietet ein Haus in Maine. Am Meer. Elisabeth Strout schreibt über Familie und Freundschaft – darüber wie weit wir gehen, um die zu retten, die wir lieben.
    Ich habe auch dieses Buch sehr gemocht, wie fast jedes von Elizabeth Strout. In einer kurzen Szene erfahren wir auch von Olive Kitteridge. Sie lebt nun im Altersheim, ist eigentlich zu niemandem wirklich nett, und mag die Menschen immer noch. Sie ist einsam, mag Vögel und erzählt gerne von Henry. Das könnte ja bedeuten, dass die Geschichte von Olive noch nicht ganz fertig erzählt ist.

  2. Daniel Kehlmann/Lichtspiel

    Die rätselhafte Geschichte von G.W. Pabst, neben Lang und Murnau, einer der ganz grossen Regisseure der 20er Jahre, erzählt Daniel Kehlmann in Lichtspiel. Rätselhaft ist die Geschichte, weil Papst, nachdem er nach Hitlers Machtergreifung erst nach Hollywood emigriert, dort aber mit den amerikanischen Verhältnisse in der Filmindustrie nicht zurecht kommt, nicht zuletzt weil er kaum Englisch spricht, kurz vor dem Ausbruch des Krieges wieder zurückkehrt in ein Regime, dem er einige Jahre zuvor entflieht. Er sitzt mit seiner Familie in der Falle. Wie verhält er sich als Künstler in diesem totalitären Staat, der in jede Ritze kriecht? Das Regime bietet ihm neben dem Weg ins KZ, die besten Bedingungen seiner Kunst nachzugehen. Die Ressourcen, die ihm in Aussicht gestellt werden, sind verlockend. Was macht er nun? Die Szene, als er bei Propagandaminister Göbbels vorsprechen muss, ist nicht nur umwerfend in den Dialogen, sie zeigt klar, dass es sich um einen Roman und nicht um eine Biographie handelt. Der Preis für die Kollaboration mit dem Regime, den Pabst und seine Familie, besonders sein Sohn zahlen muss, ist hoch.
    Ich war begeistert von diesem Roman über Kunst und Macht, über Angst, Verführung und über das Böse.

  3. Anne Rabe/ Die Möglichkeit von Glück

    Auch in dieser Geschichte hat das Schweigen, hier vom Staat, der DDR, verordnet, eine unheimliche, unheilvolle Bedeutung für die Gesellschaft, die Familien und jeden einzelnen Menschen. Tief in das System verstrickt, kann Stine und ihre Familie auch nach dem Mauerfall, nicht davon lassen. Sie erzählt von einer Generation, deren Herkunft eine Leerstelle ist, weil geschwiegen wurde, werden musste. Einfühlsam, mutig und schonungslos erzählt die Autorin die Geschichte eines ganzen Landes und beantwortet damit auch die Frage nach den Gründen des aufkommenden Rechtspopulismus, der AfD, die vor allem im Osten Deutschlands zu einer Gefahr werden.
    Es tat manchmal richtig weh, diese Geschichte zu lesen. Ich würde sie trotzdem herzlich weiterempfehlen, Sprache und Form haben mich sehr überzeugt.

  4. Axel Hacke/ Über die Heiterkeit in schwierigen Zeiten und die Frage, wie wichtig uns der Ernst des Lebens sein sollte

    Feinsinnig, klug und persönlich betrachtet und beleuchtet der Autor Begriff und Bedeutung der „Heiterkeit“ mit den Blicken und Worten von Philosophie, Psychologie, Religion, über Jahrtausende entlang der Menschheitsgeschichte. Er kommt zum Schluss:
    „Es gibt sie nicht, eine Heiterkeitstherapie. Hoffe nicht auf andere. Schau dir selbst das Leben an und beobachte, was es mit dir gemacht hat und weiter macht und was du mit ihm machen willst.
    Was tut dir gut? Was hat dich heiter gestimmt?
    Und folge dem. Immer.
    Entdecke dabei Grossartiges. Das Lächeln, das Freundlichsein, das Bewundern. Das Hinnehmen der Dinge. Der Abstand, die Distanz. Die Verwandlung. Die komische Art ernst zu sein. Die atmende Leere zu nutzen. Die Lücken in den Zäunen um uns herum zu sehen. Sich selbst zu vergessen. Die Beweglichkeit zu pflegen. Die Leichtigkeit. Milde. Güte. Gleichmut.“

    Fast gleichzeitig mit dem Film von Wim Wenders „Perfect days“ war die Lektüre dieses Büchleins ein heiterer Start ins neue Jahr.

  5. Colum McCann/Apeirogon

    Die aktuellen Ereignisse im Nahen Osten geben der Geschichte von Rami und Bassam eine Dringlichkeit, die ans Herz geht. Durch ihre tragischen Erfahrungen haben sie verstanden, dass sich die Historischen Ereignisse, die unveränderlich die Gegenwart und die Zukunft zu bestimmen scheinen, sich ändern müssen…..und sie haben die Wegrichtung geändert…….“Kein Volk darf ein anderes unterdrücken und selbst in Sicherheit und Frieden leben. Die Besatzung ist weder gerecht noch tragbar. Und gegen die Besatzung zu sein hat nichts mit Antisemitismus zu tun……( S. 297]
    Ein Buch, das ich nicht mehr vergessen werde.

    Plinio Martini/ Nicht Anfang und nicht Ende

    Zum 100. Geburtstag von Plinio Martini wurden seine Texte neu aufgelegt. Die Liebesgeschichte von Gori und Maddalena wird sehr verhalten und ganz behutsam erzählt. Vor 100 Jahren erst, haben sich Gori und andere bitterarme junge Männer aus den Tessinertälern aufgemacht, in Amerika den Verhältnissen in der Heimat zu entfliehen, auf der Suche nach Perspektiven für ein gelungenes Leben. ….“Mamma Mia dammi cento Lire, che in America voglio andar!“…..Auch sie bestiegen Schiffe und fuhren übers Meer, so wie es heute noch immer so viele Menschen tun…..aus den gleichen Gründen, und noch immer bezahlen sie teuer dafür, manche mit dem Leben, andere mit Entwurzelung und der Sehnsucht nach einer verlorenen Welt, die ihr ganzes Leben bestimmen wird.
    Eine stille Geschichte, die berührt und vielleicht genau die richtige Lektüre für die kommenden Festtage ist.

  6. Dennis Lehane/ Sekunden der Gnade

    Boston, 1974, künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weisse Schulen gebracht werden und vice versa. Die Stadt kocht, Angst geht um und Hass in Southie, einem Quartier, bewohnt von ausschliesslich weissen Menschen, mehrheitlich irischer Abstammung. Mary Pat Fennesys 17- jährige Tochter Jules kommt eines Nachts nicht mehr nach Hause zurück. Mary Pat beginnt auf der Suche nach ihrer Tochter, Fragen zu stellen, stösst auf Schweigen und Widersprüche bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Ausser sich vor Schmerz, macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen- und um ihre eigene Schuld abzutragen.
    (Klappentext)
    Eine mitreissend und schonungslos erzählte Geschichte über eine Frau, die nichts mehr zu verlieren hat.
    Fürwahr keine Geschichte für zarte Seelen, ich habe es fast atemlos gelesen und kann es sehr empfehlen.

  7. Graue Bienen/Andrej Kurkow

    Sergej, Bienenzüchter, lebt im Donbass. Seit Jahren schon schiessen ukrainische Kämpfer und prorussische Separatisten aufeinander. Die Geschosse fliegen über das Dorf hinweg, viele Häuser, die Kirche sind zerstört. Nur Sergej und sein „Schulfeind“ Paschka leben noch da, alle anderen sind geflohen. Sergej überlebt nach dem Motto: Nichts sehen, nichts hören…..sich raushalten. Nur das Wohlergehen seiner Bienen interessiert ihn. Als die Lage sich zuspitzt, packt er seine Bienenstöcke in sein Auto und fährt los und landet schliesslich auf der Krim, wo er den Sommer verbringt, und seine Bienen Nektar sammeln und Honig machen können.

    Mit manchmal schwarzem Humor schreibt Kurkow über den Krieg, die Menschen im Krieg und über die Bienen, bei denen, im Gegensatz zu den Menschen eine weise Ordnung herrscht.

    Ich habe das Buch sehr gemocht und empfehle es euch sehr.*****

  8. Percival Everett/Die Bäume

    Aus dem Klappentext:
    USA, Anfang des 21. Jahrhunderts: Das Städtchen Money in den Südstaaten wird von einer mysteriösen Mordserie erschüttert. Die Opfer, meist dick, doof und weiss. Neben jeder Leiche taucht ein Körper auf, der die Züge von Emmett Till trägt, eines 1955 gelynchten schwarzen Jungen. Zwei afroamerikanische Detektive ermitteln und bekommen umgehend den Widerstand des Sherrifs und einer Gruppe weisser Rassisten zu spüren…..

    Everett schreibt über und gegen Rassismus, eine Hommage an die Opfer der Lynchjustiz und zugleich eine rasante Rachefantasie. Das Buch ist eine atemberaubende Satire, zwischen unaussprechlichem Grauen und umwerfender Komik, die nur auf ein paar Seiten einen Hauch von Klamauk transportiert.

    Wer sowas mag, dem sei dieses Buch sehr empfohlen.

    Abdulrazah Gurnah/ Das verlorene Paradies

    Der mir völlig unbekannte Autor hat 2021 den Nobelpreis für Literatur bekommen. Feinsinnig, lebendig und in leichtem Ton erzählt der Autor vom Erwachsenwerden des zwölfjährigen Yusuf in einer Welt des Übergangs: Es beginnt der Kolonialismus der Europäer, im ostafrikanischen Tansania, die nach den Arabern und den Indern „einfach“ nur die nächsten waren, die über den Lebensraum und die Menschen hergefallen sind und sich alles holten, was ihren Reichtum und ihre Macht vermehren konnte.

    Auch dies eine Geschichte aus fernen Zeiten, deren Konsequenzen noch heute zu spüren sind, kein Happyend in Sicht, nicht im Buch, nicht in der Wirklichkeit.

    Mit diesem Buch habe ich nicht nur einen „neuen“ Autor entdeckt, sondern auch einiges gelernt…..ein paar Besuche auf Wikipedia haben dabei geholfen.

    1. Percival Everet / Die Bäume
      Besonders getroffen hat mich – mitten im Buch – die Liste von Hunderten von gelynchten schwarzen Männern bei denen die weisse Justiz keine Ermittlungen aufgenommen und niemanden zur Rechenschaft gezogen hat.

  9. Salman Rushdie/Victory City

    Ein Epos über die Kraft menschlicher Kreativität und die Fähigkeit der Kunst, die Welt zu gestalten. (Klappentext)

    Hinter diesen grossen Worten verbirgt sich eine Geschichte, die ich sehr gerne gelesen habe. Eine Geschichte über Macht, Liebe und darüber was es bedeutet ein Mensch zu sein. Es ist eine Erzählung, der historisch belegbare Fakten zu Grunde liegen, die aber auch märchenhafte Züge enthält, mit Humor, Weisheit und Magie wird eine Welt erschaffen, in der wir uns als Menschen des 21.Jahrhunderts genauso wiederfinden, wie die Menschen im 14. Jahrhundert in Südindien, von denen die Geschichte erzählt.
    Kann ich wärmstens empfehlen.

  10. Kent Haruf/ Das Band das uns hält

    In seinem ersten Roman erzählt Haruf von den Anfängen seines imaginierten Ortes Holt, als Ende des 19.Jahrhunderts die ersten Siedler mit falschen Versprechungen in die kargen Weiten der High Plains in Colorado gelockt wurden. Es ist die Geschichte von den Geschwistern Edith und Lyman Goodnough. Sie erzählt von Liebe, Freundschaft, Pflichtgefühl und Familienzugehörigkeit. Die einzige Hoffnung für die beiden sind Menschen, die Mitgefühl zeigen und Hilfe anbieten, wie John Roscoe mit seiner Mutter und seinem Sohn Sandy, die eine halbe Meile entfernt ihre Farm haben. Sandy ist es, der schörkellos die ganze Geschichte erzählt, die auch deswegen berührt, weil es eigentlich für niemanden Frieden und Erlösung gibt.
    John Irving meint dazu: Das ist harter Stoff – fantastisch geschrieben.
    Damit sind alle sechs Romane von Kent Haruf ins Deutsche übersetzt. Dass der erste nun der letzte ist, finde ich besonders reizvoll. Eine grosse und warme Leseempfehlung.

    Gerne wieder gelesen habe ich unter anderem „Der Fänger im Roggen“ und „Alles ist erleuchtet“. Habt ihr aus eurer Lesevergangenheit einen Tipp für mich?
    Es gibt Texte, die ihre Stahlkraft nicht verlieren, trotz aller aktuellen Diskussionen, die dem einen oder anderen Buch eine gewisse Berechtigung abzusprechen versuchen.

    Nun versuche ich mich an Salman Rushdie. Mal sehen, wie ich damit zurecht komme.

    Ist unser nächstes Buch nun ausgewählt? Robert Seethaler?

    Ich wünsche euch einen schönen Sommer mit viel Leseglück.

    1. Robert Seethaler / Das Café ohne Namen ist unser nächstes Buch.

      Kent Haruf ist morgen im Briefkasten. Ich freue mich aufs Lesen und eine allfällige Ergänzung des Stadtplans von Holt.

      Drei Schinken stehen schon länger bereit:
      Don Quijote (seit 1615)
      Tristram Shandy (seit 1767)
      Moby Dick (seit 1851)

      Einen möchte ich diesen Sommer … schaffen … lesen … geniessen …

      1. Moby Dick, genau, das wollte ich schon lange einmal lesen.
        Danke für den Reminder.

        Heute habe ich mir „Orlando“ von Virginia Woolf gekauft, noch ein Klassiker, den ich mir bisher mit grosser Ehrfurcht nur von weitem angesehen habe. Bin gespannt.

  11. Da ich unser aktuelles Buch bereits gelesen habe, wollte ich Arno Geiger und seine früheren Bücher, die fast alle in meinem Büchergestell stehen, noch einmal lesen. Begonnen habe ich mit:

    Es geht uns gut

    Dafür hat er 2005 den ersten Deutschen Buchpreis gewonnen und die Türe zum erfolgreichen Schriftsteller hat sich ihm von einem Tag auf den anderen geöffnet…..wie wir in seinem neusten Buch erfahren haben. Arno Geiger erzählt die Geschichte einer Familie über drei Generationen, gleichzeitig erzählen sich 70 Jahre des letzten Jahrhunderts, und es wird bereits klar, woher und wie der Autor die Inspirationen für dieses Buch unter anderem wohl auch bekommen hat….

    Unter der Drachenwand

    Auch über die Entstehung dieser wunderschön erzählten Liebesgeschichte in Zeiten des Krieges erfahren wir ja ein bisschen etwas aus dem glücklichen Geheimnis. Ich mag seinen lakonischen Humor, seine zarten und genauen Beobachtungen von Natur und Mensch….er erzählt liebevoll, dabei ist er aber immer weit entfernt von kitschiger Sentimentalität.

    Ralf Rothmann/ Die Nacht unterm Schnee

    Auch das ein Buch, das die Kriege des letzten Jahrhunderts, seine Verletzungen, die er Menschen zufügt, erzählt. Elisabeth wird als ganz junges Mädchen in den Wirren des Krieges vergewaltigt und lebt mit dieser seelischen Verletzung ihr Leben als Frau und Mutter. Sie verschliesst diesen Schmerz in sich, kaum jemand weiss davon und auch wenn ihr Lebenshunger vordergründig etwas ganz anderes erzählt, wird das Leben der ganzen Familie von diesen Narben geprägt. Das Durchlittene nimmt Elisabeth jedes Gefühl dafür, wie gross das Leid ist, das sie anderen zufügt. Sie arbeitet hart, tanzt von einem Rummel zum anderen, um nicht mehr zur Besinnung zu kommen. Dabei kommt aber ihr Wille zur Liebe immer zum Ausdruck. Ralf Rothmann schliesst mit dieser Geschichte seine Trilogie „Der Gott jenes Sommers“ und „Im Frühling sterben“ ab.

    Aktuell lese ich:

    Bernardine Evaristo/ Mr. Loverman

    Nach einem meiner Lieblingsbücher der letzten beiden Jahre „Mädchen, Frau etc,“ lese ich dieses Buch mit grossem Vergnügen.
    Ihre Ironie, mit der sie auch auf Dinge schaut, die zu lange im Schatten standen, ist einfach hinreissend.

    1. Ralf Rothmann / Die Nacht unterm Schnee lese ich gerade. Die Greuel der letzten Kriegstage und den Beginn der Nachkriegszeit erzählt er aus der Perspektive zweier Frauen. Die Wege der Älteren, schwer traumatisiert, und die Wege die Jüngere, unversehrt, kreuzen sich immer wieder.
      Wer wie ins Leben findet oder zurückfindet, kann ich noch nicht abschätzen, ich ahne aber (oder weiss jetzt), dass es sich bei der Älteren um Elisabeth handelt …

  12. Arno Geiger/ Das glückliche Geheimnis

    Der Autor erzählt von seinem glücklichen Geheimnis, das er über 20 Jahre lang für sich behalten hat. Wie sich das Wühlen in Wiens Altpapiertonnen in den ersten Jahren noch von Scham besetzt und ihn erst einmal vor allem finanziell durch die kargen Zeiten seiner Anfänge als Schriftsteller getragen hat, mit den Jahren in ein glückliches Geheimnis gewandelt hat. Die gefundenen Briefkonvolute und Tagebücher und das Nachdenken darüber wurden zu Inspiration für seine Geschichten und haben gleichzeitig auch seine Sprache geprägt.. Er erzählt mit grosser Aufrichtigkeit und Empathie von sich und beobachtet feinsinnig und klug wie sich in dem, was wir wegwerfen und entsorgen, unsere Gesellschaft wandelt. Wie alle seine anderen Bücher habe ich auch dieses Buch mit grosser Freude gelesen. Leseglück vom Feinsten.

    Ocean Vuong/ Auf Erden sind wir kurz grandios

    Da schreibt sich ein Mensch ins Leben, aus Verhältnissen, die man nicht ändern kann. In einem langen Brief an seine Mutter, wird die ewige Geschichte von Krieg, Flucht und Fremde erzählt. Es ist eine Reise in die Vergangenheit, die Kindheit, nach Vietnam in die Gewalt und in die Liebe. Schmerzhaft, zart, brutal, wunderbar.

  13. Zur See/ Dörte Hansen

    Die Nordseeinseln sind für mich und die vielen Touristen, die den Weg von Familie Sanders kreuzen, zu einem Sehnsuchtsort geworden. Entschleunigung, Ruhe und keine Gefahr von Reizüberflutung tragen dazu bei, die gestressten Seelen der vielen Tourist*innen in einer kurzen Inselauszeit zu „heilen“. Wie Familie Sander, die seit 300 Jahren auf der Insel ansässig ist, damit und der damit verbundenen Veränderung für ihr persönliches Leben und das der Inselgemeinschaft umgeht, erzählt Dörte Hansen klug und mit einem liebevollen Blick auf ihre Figuren. Der Sound ihrer Sprache ist betörend und erinnert an das stetige Geräusch der Wellen. Ich bin begeistert, auch wenn mein Selbstverständnis als Besucherin ziemlich angekratzt wurde. Die Erzählung des auf der Insel gestrandeten Pottwals ist ungeheuerlich, in jeglicher vorstellbarer Dimension….unvergesslich.

    Ausserdem möchte ich euch gerne auf eine Autorin aufmerksam machen, die meinen Leseweg nun schon zweimal gekreuzt hat:

    Iris Wolff stammt aus dem Banat, einer Region in Rumänien, deren Bewohner deutschsprachig sind oder waren, viele sind Ende des letzten Jahrhunderts nach Deutschland zurückgewandert.
    In ihren beiden Büchern „Die Unschärfe der Welt“ und „So tun als ob es regnet“ erzählt sie in starken Bildern über die historische Erfahrung eines ganzen Jahrhunderts. In einer zarten poetischen Sprache erzählt sie von den Menschen einer Familie aus vier Generationen und setzt sie in einer hinreissenden Weise miteinander in Beziehung, auch hier stehen die Themen Verlust und Neuanfang im Zentrum.

  14. Seit meinem letzten aktiven Besuch auf unserer Website sind schon wieder ein paar Monate vergangen. …..in dieser Zeit habe ich wohl ein paar tausend Seiten gelesen. Hier sind kurz zusammen gefasst meine Buchempfehlungen:

    Elisabeth Strout/ Das Leben natürlich

    Einmal mehr erzählt die Autorin von Menschen und ihren Unzulänglichkeiten. In diesem Buch taucht sie tief ein in die Geschichte der Familie Burgess…..“ du hast eine Frau, die dich hasst. Kinder, die stinksauer auf dich sind. Einen Bruder und eine Schwester, die dich wahnsinnig machen. So was nennt man Familie.“ So steht es im Klappentext. Sie erzählt wie immer schonungslos und trotzdem liebevoll von ihren Figuren und wirft dabei auch einen kritischen Blick auf das aktuelle Amerika.
    Irgendwie tröstlich….hat mir sehr gefallen.

    James Baldwin/Von einem Sohn dieses Landes

    Nur schon für das Vorwort von Mithu M. Sanyal lohnt es sich, dieses Buch zu lesen. Die Essays von James Baldwin sind emotional berührend und intellektuell beeindruckend.
    …..“Die Welt ist nicht mehr weiss, und sie wird nie mehr weiss sein.“

    Ian McEvan/ Lektionen

    Auf gut 700 Seiten erzählt der Autor die Lebensgeschichte von Roland Baines, von seiner Rastlosigkeit, seiner Herkunft, seinen Verlusten, seinen Träumen, seinem Scheitern, der Liebe und der Kunst, von all den Lektionen, die sein Leben für ihn bereit hielt.. Er lässt sein Leben Revue passieren, ohne Bilanz zu ziehen. Er hat allein ein Kind gross gezogen, war ihm ein verlässlicher, wenn auch unperfekter Vater. Das ist bei allem was nicht gelungen sein mag, bedeutsam und verhilft ihm im Alter auch dazu, sich und anderen zu vergeben.
    „McEvan hat die Gabe das Schwere leicht zu machen und das Leichte gewichtig.“
    Ich habe dieses Buch sehr, sehr gerne gelesen.

  15. Zur Abwechslung wieder mal ein Krimi:
    Alibi für einen König/Josephine Tey
    Das ist meine nächste Lektüre.

    Aus dem Klappentext:
    Schon Shakespeare wusste: Richard lll. war ein Schurke. Alan Grant von Scotland Yard ist da allerdings ganz anderer Meinung.

    Das Buch steht auf Platz 1 auf der Liste der 100 besten Kriminalromane der Britischen Crime Writers ´ Association.

    Bin gespannt.

  16. Ich habe am Wochenende das Blutbuch von Kim de lˋHorizon fertig gelesen und gestern den Literaturklub auf SRF gesehen, in dem das Buch besprochen wurde. Alles was mir wichtig ist, haben die Kritiker in der Runde angemerkt, darum verzichte ich auf meinen Versuch, für euch eine Zusammenfassung zu schreiben. Schaut euch die Sendung an. Ich empfehle euch dieses Buch von Herzen. Es ist vieles auf einmal, verwoben zu einer Geschichte, die mutig ist, ehrlich, ungestüm und trotzdem sorgfältig, poetisch und anrührend. Ich wünsche dem Buch viele Leser*innen. Und ja, ich stimme Milo Rau zu, der meinte: Es ist ein Wunder.

  17. Aus der Vorfreude auf Hund Wolf Schakal ist nun eine noch immer anhaltende Freude über das Buch geworden. Der Autor erzählt von einer Welt, die ich aus den Medien zwar „kenne“, Ereignisse, Zahlen und Fakten entwickeln jedoch nicht die Wirkung, die Literatur hat. Die Geschichte von Saam, der mit seinem Bruder und seinem Vater in den späten 80ern aus dem Iran flieht und in Berlin Neukölln mehr zufällig als gewollt aufschlägt, wirkt. In einer Sprache, die mich begeistert, erzählt der Autor eine Geschichte von Verlust und Entwurzelung, Hoffnung und Enttäuschung. Ich finde das Buch grossartig und kann es nur empfehlen.

    Im Moment lese ich Blutbuch/ Kim de l‘Horizon. Das Buch hat den Deutschen Buchpreis gewonnen. Auch hier……Lesen öffnet Welten.

  18. Bei unserem letzten Lesesalon habe ich uns alle dazu angeregt, an dieser Stelle von den Büchern zu erzählen, die wir gerne gelesen haben.
    Hier, kurz und knapp meine aktuellen Empfehlungen:

    Das Land der anderen/ Leila Slimani
    Schaut, wie wir tanzen/Leila Slimani

    Es ist die Familiengeschichte von Leila Slimani, auf den Spuren ihrer Grosseltern, ihrer Eltern – und der Sehnsucht einer ganzen Generation nach einem unabhängigen Leben. Wie viel Aufbruch ist möglich? Wie frei und unabhängig dürfen Frauen sein? Eine Geschichte über eine Welt im Umbruch.
    All das geschrieben in glasklaren Sätzen, die bis zur letzten Seite überzeugen. Ich freue mich schon auf den letzten Teil der Trilogie.

    Quality Time/ Miika Nousiainen

    Federleicht und temperamentvoll, ist dieses Buch mehr als ein Feel-Good-Roman. Es ist eine Abrechnung mit dem, was von der jungen Generation erwartet wird, schwungvoll und mit Witz erzählt. Ich habe mich sehr gut unterhalten gefühlt und hatte beim Lesen auf den gut 300 Seiten durchgehend gute Laune….und – ich bin froh, dass die Herausforderungen, mit denen die Protagonisten zu kämpfen haben, längst hinter mir liegen.

    Eine Frage der Chemie/ Bonnie Carmus

    Ganz zufällig ist dieses Buch doch noch bei mir gelandet. Die Stimmen der Begeisterung zu diesem Buch waren ja unüberhörbar…..was ich nach zwei Dritteln der Geschichte immer weniger verstehe. Natürlich ist es unterhaltsam und das Thema, Chancengleichheit für Männer und Frauen ist auch heute noch aktuell, dennoch überzeugt es mich gar nicht.

    Und als nächstes freue ich mich auf:

    Hund Wolf Schakal/ Behzad Karim Khani

    ….aus dem Klappentext….
    der Autor beschreibt eine Welt der Kleindealer, Messerstecher und Revolutionäre – und sucht dabei ihre Zärtlichkeit.
    (Im Tagi war am Samstag eine Kritik von Nora Zucker zu lesen)

    Lesen öffnet Welten.

  19. Ich bin diese Tage mehrfach über das neuste Buch von Ian McEvan gestolpert, in einem Interview in der Beilage der NZZ am Sonntag und nun auch die Kritik von Martín Ebel im Tagi. Ich freue mich auf das Buch und werde es mir aufsparen bis zum nächsten Lesesalon. Vielleicht wird das ja unsere nächste gemeinsame Lektüre. Wenn nicht, werde ich es mir als Lektüre über die Weihnachtstage gönnen.
    Das Buch heisst „Lektionen“ und erzählt 60 Jahre Weltgeschichte von der Suezkrise bis in den dritten Lockdown entlang des Lebens von Roland Baines, dem Protagonisten.
    Im Interview meint der Autor …… Die meisten Probleme sind ungelöst. Man ringt damit ein Leben lang. Oder die Probleme verschwinden langsam – und werden durch neue Probleme ersetzt…..
    Das gesamte Interview ist sehr lesenswert, ich weiss allerdings nicht, wie ich euch das digital übermitteln könnte.

  20. Alexander Gorkow / Die Kinder hören Pink Floyd

    Klappentext:
    Schau in die Welt, Junge, nicht in den Himmel!
    Die 70er-Jahre. Eine Vorstadt. Das Westdeutschland der letzten Baulücken, der verstockten Altnazis, der gepflegten Gärten. Die Kriegsgräuel sind beiseitegeschoben, zum Essen geht es in den Balkan Grill, die Einbauküche daheim überzeugt durch optimale Raumnutzung. Für den 10-jährigen Jungen aber ist es eine Welt der Magie, der geheimen Kräfte, des Kampfs des Bösen gegen das Gute. Der Leitstern des Jungen in diesem Kampf ist die große Schwester – das Kind Nr. 1 der Familie. Sie ist herzkrank und sehr lebenshungrig. Mit trockenem Humor und großer Aufsässigkeit stemmt sie sich gegen alle Bedrohungen, nicht zuletzt mithilfe der vergötterten Band Pink Floyd aus dem fernen London, den Kämpfern gegen das Establishment, deren Songs alles zum Glänzen bringen.

    Du kannst Pink Floyd dazu hören, musst aber nicht.
    Und, soviel sei verraten: Kind Nr. 1 erlebt das Ende des Buches nicht, der Junge aber schon, er ist der Erzähler.

    1. Herzlichen Dank für deine Empfehlung, lieber Willi.
      Mein Verhältnis zu Pink Floyd war nicht ganz so magisch, und als ältestes Kind musste ich meinen Weg in die Musik und der Haltung zum „Etablishment“ selber finden. Ich habe diese Geschichte mit grossem Vergnügen und Staunen über eine Welt, die es so wirklich nicht mehr gibt, gelesen. Die Szene über den mit Quitten gefüllten Dampfkochtopf wird mir unvergesslich bleiben…..und ich habe wieder mal meine einzige Schallplatte „atom heart mother“ von Pink Floyd gehört.

  21. Ralf Rothmanns Hotel der Schlaflosen beinhaltet elf schaurig schöne Erzählungen, die mich alle begeistert haben, obwohl ich eher eine Leserin von langen Geschichten bin.
    Sprachlich überzeugend werden die Erzählungen zusammengehalten vom Satz von John Cale „ Fear is a man‘s best friend“.

  22. Ich habe zwar erst etwa 100 Seiten gelesen von Tea Obreht’s, HERZLAND. Es spielt Ende des. 19 Jahrhunderts im tiefen Westen Amerikas. (In der Hitze Arizonas). Es sind zwei Erzählstränge, die sich bis jetzt aber noch nicht wirklich miteinander verbunden haben:

    Im einen wird die Geschichte einer Frau, Nora, Mutter von drei Söhnen, erzählt. Ihr Mann, seit Tagen auf der Suche nach Wasser taucht einfach nicht mehr auf. Nora ist allein mit den Kindern und dem „Geist“ ihrer kleinen Tochter, die offenbar das unerhört harte Leben an diesem „Unort“ nicht überlebt hat. Nora wartet und erinnert sich an die Anfänge, an etliche Versuche in dieser neuen, unwirtlichen Welt einen sicheren Ort für sich und ihre Familie zu finden. Sie erzählt vom Scheitern und den Mühen auch mit anderen Siedlern zu einer Gemeinschaft zu werden.

    Der zweite Strang erzählt von einem Waisenjungen, der mit seinem Vater aus dem osmanischen Reich gekommen ist, und sich als Kleinkrimineller und irgendwann wohl als Outlaw durchschlagen muss.

    Ich bin zwar überhaupt kein Westernfan, aber die Geschichte hat ihren Reiz, grad auch zu Zeiten, wo wir doch aus aktuellem Anlass viel über Amerika nachdenken.
    Die Sprache gefällt mir…..ich bin gespannt und fasziniert von dieser jungen Autorin, die in Belgrad geboren ist und erst im Alter von 12 Jahren nach Amerika umgesiedelt ist. Toll, was sie sich da für eine Geschichte ausgedacht hat.

    Die Erzählungen von Ralf Rothmann, Shakespeares Hühner, haben mir sehr gut gefallen, sein neustes Buch, Hotel der Schlaflosen, ebenfalls ein Erzählband, liegt bereit, habe ich aber noch nicht gelesen.

  23. Colum McCann / Apeirogon

    Rami Elhanan und Bassam Aramin sind zwei Männer. Rami braucht fünfzehn Minuten für die Fahrt auf die West Bank. Bassam braucht für dieselbe Strecke anderthalb Stunden. Ramis Nummernschild ist gelb, Bassams grün.

    1001 Kapitel über Besetzer und Besetzte.

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